Dass man vom Gericht gesetzte Fristen immer ernst nehmen sollte, zeigt ein aktueller Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. April 2023. Da die testamentarisch eingesetzte Erbin die Post des Gerichts nicht öffnete und Fristen verpasste, wurde sie vom Landgericht Köln für erbunwürdig erklärt und konnte den damit zusammenhängenden Verlust ihrer Erbenstellung auch im Nachhinein nicht mehr rückgängig machen. Ob der ursprünglichen Erbin tatsächlich Erbunwürdigkeit vorzuwerfen war, wurde in der Sache aufgrund der Fristversäumnisse nicht mehr geprüft.
Tochter zunächst durch gemeinschaftliches Testament enterbt
Der Erblasser verstarb im Jahr 2021 und hinterließ eine Ehefrau und eine Tochter aus einer vorherigen Beziehung. Nach dem Tod lieferte die Ehefrau beim Nachlassgericht ein von ihr handschriftlich geschriebenes, gemeinschaftliches Testament ab, welches die Bestimmungen enthielt, dass sich der Erblasser und seine Ehefrau gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzen. Das Testament enthielt die Unterschrift der Ehefrau und die Unterschrift des Erblassers. Es wurde im Anschluss vom Nachlassgericht eröffnet. Die Tochter des Erblassers galt damit zunächst als enterbt.
Tochter vermutete Fälschung des Testaments
Die Tochter, die sich über Ihre Enterbung wunderte, vermutete, dass die Ehefrau die Unterschrift des Erblassers und das Datum auf dem Testament gefälscht habe und das Testament erst nach dem Tod des Erblassers allein errichtet habe. Sie entschied sich daher dazu, beim Landgericht Köln eine sogenannten Anfechtungsklage zu erheben, durch welche sie aufgrund der vermuteten Fälschung die Erbunwürdigkeit der Ehefrau des Erblassers geltend machte.
Eine Erbunwürdigkeit kann nämlich insbesondere gem. § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB festgestellt werden, wenn ein Erbe ein Testament des Erblassers gefälscht und sich hierdurch wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht hat. Und genau hierauf war die Anfechtungsklage der Tochter gestützt. In der Rechtsfolge sieht das Gesetz vor, dass erbunwürdige Personen von der Erbfolge und auch von jeglichen anderen Ansprüchen auf den Nachlass ausgeschlossen werden.
Versäumte Öffnung der Post führte zu Versäumnisurteil
Die Anfechtungsklage wurde der Ehefrau vom Landgericht zugestellt und ihr wurde eine Frist gesetzt, dass sie binnen zwei Wochen anzeigen solle, ob sie sich gegen die Klage verteidigen wolle. Die Ehefrau reagierte hierauf allerdings nicht. Im Verfahren gab sie später an, dass sie aufgrund des Todes Ihres Ehemannes nicht in der Lage gewesen sei, sich mit Gerichtspost auseinanderzusetzen.
Wie gesetzlich vorgegeben erließ das Landgericht daraufhin ein sogenanntes Versäumnisurteil gegen die Ehefrau des Erblassers. Hierdurch wurde sie aufgrund der fehlenden Reaktion auf die Klage antragsgemäß für erbunwürdig erklärt.
Ehefrau konnte Einwendungen im Erbscheinsverfahren nicht mehr vorbringen
Da die Tochter aufgrund der festgestellten Erbunwürdigkeit der Ehefrau als Alleinerbin galt, beantragte sie daraufhin beim Nachlassgericht Köln einen Erbschein, welcher sie als alleinige Erbin ausweisen sollte. Die Ehefrau brachte im Erbscheinsverfahren und im nachfolgenden Beschwerdeverfahren vor, dass das lediglich auf Versäumnis beruhende Urteil keine Bindungswirkung entfalten könne und dass sie Alleinerbin sei. Das mit der Beschwerde befasste Oberlandesgericht betonte allerdings, dass die Rechtsfolge des Versäumnisurteils bindend sei. Und auch die von Ehefrau im Anschluss eingelegte Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof brachte keinen Erfolg. Hier betonte der Bundesgerichtshof ebenfalls die Bindungswirkung des Versäumnisurteils. Das liege insbesondere daran, dass im Erbscheinsverfahren nicht über eine Erbunwürdigkeit entschieden werden könne. Ein erbunwürdiger Erbe könne, wenn ein solches Versäumnisurteil nicht bindend wäre, durch Abwesenheit dauerhaft die Erteilung eines Erbscheins verhindern, wenn eine solche Bindungswirkung nicht angenommen werde.
Fristsetzung vom Gericht sollte ernst genommen werden
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26.04.2023 (IV ZB 11/22) zeigt eindrücklich, welche Folgen es haben kann, wenn man sich als Beteiligter in einem Gerichtsverfahren nicht an die gesetzlichen Formalitäten und Fristen hält. Ob das Testament tatsächlich von der Ehefrau gefälscht worden war, wird sich nicht mehr aufklären, da die Rechtsfolge, dass die Ehefrau des Erbens unwürdig ist, rechtskräftig feststeht. Die Ehefrau wird jedenfalls keinen einzigen Cent aus dem Nachlass erhalten und muss alles der Tochter Ihres Ehemanns überlassen. Auch einen Pflichtteilsanspruch wird sie nicht mehr geltend machen können.